"...ihr Haus der Begegnung..."
Zu Besuch bei Prof. Dr. Erika Schuchardt
Im 'Haus der Begegnung' sind die Türen immer offen.
Gulaschsuppe von der 'Wasserratte' mit Frisuren-Archiv.
Von Hans-Christian Zehme
Die Hobby-Hausfrau am heimischen Herd:
Prof. Dr. Erika Schuchardt bekochte uns mit Braunschweiger Gulaschsuppe
Kostbares Stück im antiken Schrank von 1765:
Die nimmermüde Politikerin zeigt stolz Ihre rund 200 Jahre alte Spieluhr
Sie hat nach eigenen Worten als Politikerin "die Chance, etwas anzustoßen", und manchmal scheint es ein bißchen so, als wolle sie Braunschweig im forschen Alleingang vor dem Verderben retten: Prof. Dr. Erika Schuchardt, Abgeordnete der CDU im Bundestag, kandidiert in Braunschweig erneut fürs Parlament.
Wenn sie den Wiedereinzug schafft, woran sie nicht zweifelt, wird sie den Ausblick vom Balkon ihrer Wohnung in Hannover auf den Maschsee allerdings weiterhin nur selten genießen können. Und dieser Ausblick ist faszinierend schön - wie auch die große, lichtdurchflutete Wohnung.
Hier dominieren Parkett- und Marmorböden, Holz und Glas, Antikes und Modernes. Fast jeder Gegenstand erzähle eine Geschichte. Das Küchenfenster gibt den Blick frei auf mehrere Museen, das neue Rathaus, das Niedersachsenstadion. Die Politikerin, die sich bei unserem Besuch als durchaus gute Gastgeberin erweist, bezeichnet ihre Eigentumswohnung im Herzen der Landeshauptstadt als 'Haus der Begegnung', in der die Türen für Freunde, Verwandte und Bekannte immer weit geöffnet seien.
Original Braunschweiger Gulaschsuppe hat die 58jährige gekocht. Zum Nachtisch gibt's selbstgebackenen Eierlikör-Kuchen, dazu Kaffee. "Man muß ein guter Gastgeber sein, weil es einfach Spaß macht." Einen Fernsehapparat sucht man im Wohnzimmer indes vergebens: "Die Glotze soll nicht dominieren", betont die zierliche Frau mit der riesigen Turmfrisur, denn sie lege viel mehr Wert auf Musik (sie spielt selbst Geige), gemütliches Beisammensein und gute Gespräche. "Ich halte sehr viel davon, daß man Dinge selbst macht."
Erika Schuchardt, an der Universität Hannover auch als Erziehungswissenschaftlerin 'mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung' tätig, hat sich in den vergangenen zehn Jahren der drei Kinder ihrer damals verstorbenen Schwester angenommen. Inzwischen studieren die jungen Leute oder absolvieren gerade eine Ausbildung. "Es ist die Frage, wer wen in Schwung gebracht hat", lacht die Abgeordnete rückblickend, obwohl ihr anzumerken ist, daß sie nicht gerne darüber spricht, und verrät ein Geheimnis: Die Kinder hätten sie einst dazu gebracht, den Surfschein zu machen - mit Erfolg, aber das versteht sich bei dieser quirligen Frau fast von selbst, die so gern von "meiner Regierungspartei" und vom "Kämpfen" spricht.
Ja, sie sei durchaus eitel, räumt Erika Schuchardt ein und bezieht das nicht nur auf ihre ungewöhnliche Frisur. "Ich erwarte, daß man sich so zurechtmacht, daß andere Freude haben. Das hat mit Anstiftung zur Hoffnung zu tun." Sie selbst ist fast nie ohne Seidentuch zu sehen. "Und ich kann schon fast ein Archiv über Frisuren-Vorschläge anlegen", fährt sie fort. Sie sei nun mal gerne eine Frau, eine mit langen Haaren dazu, und durch das tägliche Zusammenknoten ihrer Pracht "bin ich nicht vom Friseur abhängig".
30 Bücher hat die Politikerin bisher geschrieben, zwei wurden mit Auszeichnungen bedacht. Ihr Arbeitszimmer ist bis unter die Decke vollgestopft mit Wälzern fast aller Art, mit Fax- und Telefongeräten, Bergen voller Notizen und Ablagen. Wann schläft die 58jährige eigentlich? "Das ist wirklich mein wunder Punkt", sagt sie. Fünf bis sechs Stunden müßten meistens reichen. "Und zum Brötchenholen habe ich auch keine Zeit."
Zur Stärkung beißt die Hannoveranerin für Braunschweig gerne in frische Früchte, in Himbeeren und Mangos oder in "eine Paprika statt einen Apfel". Die Zeit des Fast foods habe sie "schon längst hinter sich". Und: "Das Natürlichste vom Natürlichen esse ich am liebsten." Fit halte sie sich zudem mit Wandern, Skifahren und Schwimmen: "Ich bin eine Wasserratte. Sauna und Wasser sind Leben für mich, wie eine seelische Reinigung."
Bunte krachende Unterhaltung, knallige Filme sind ihre Sache nicht. Zwar hat sie der US-Streifen "Good will hunting" nach eigenen Worten "wahnsinnig ergriffen", weil ein "sensibles Thema" aufgegriffen worden sei, doch die Hamburger Titanic-Ausstellung habe ihr viel besser gefallen als der entsprechende Welterfolgsfilm.
Ein Auto hat die Bundestagsabgeordnete nicht; sie saust statt dessen mit dem Rad gerne um den Maschsee und nutzt ansonsten die Bahn für ihre Termine. Wohnungen besitzt sie außer in Hannover auch in Braunschweig und Bonn (und demnächst vielleicht in Berlin). Besitz ist ihr, wie sie unterstreicht, nicht wichtig, "aber Erinnerung".
Und da kommt die Wissenschaftlerin wieder auf ihre alten Möbel, auf Bilder und auf Blumenschmuck zurück, die jeweils eigene Geschichten erzählten. Schmuckstück ist eine rund 200 Jahre alte Spieluhr, versteckt in der Schublade eines antiken Schranks. Die Melodien des mechanischen Instruments erfüllen die gesamte Wohnung.