Zu Ihrem Festtag
Glück und Segen, frohe Stunden mit Ihrer Familie, den Freunden, Kollegen und Nachbarn und Raum für Ihre Träume, Ihre Ziele und deren Umsetzung - das wünsche ich Ihnen von Herzen und dazu die gute Gabe, auch einmal Pause machen zu können. Zum Beispiel, um diesen Brief zu lesen.
In diesem Jahr führt uns der Braunschweiger Spaziergang nicht wie sonst zu markanten und beziehungsreichen Bauwerken, sondern zu Begegnungen mit bemerkenswerten Menschen in unserer Stadt, zu Besuchen bei den Zeit-Spendern, die hier bei uns - wie überall auf der Welt - im Alltag immer parat und präsent sind, so dass sie zu den wenig beachteten Selbstverständlichkeiten unseres Lebens gehören.
Die Zeit-Spender - Sie haben es längst erraten - das sind Personen, die in ihrer freien Zeit ohne Entgelt ihr Können und ihre Kraft für andere Menschen einsetzen als freiwillige, ehrenamtliche HelferInnen, BeraterInnen, BetreuerInnen in allen Aufgabengebieten unserer Stadt. Ein paar Orte der Freiwilligenarbeit in Braunschweig wollen wir besuchen, sie sind nur Beispiele für das vielfältige Engagement der Bürger und Bürgerinnen.
Die Braunschweiger Tafel, e.V. versorgt seit fünf Jahren bedürftige Menschen in unserer Stadt mit gespendeten Lebensmitteln. Ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (z.Zt. etwa 60) holen mit drei von Autofirmen finanzierten Fahrzeugen überproduzierte Nahrungsmittel von Einzelhändlern, Großmärkten, Fabriken, Großküchen aus weiterem Umkreis ab und verteilen sie an soziale Einrichtungen (Tagesstätten, Beratungsstellen, Nachtunterkünfte), die damit täglich etwa 1500 wirklich Bedürftigen helfen können. Der Verein, der ohne staatliche Zuschüsse arbeitet und seine Unkosten durch Spenden und Sponsoring finanziert, wünscht sich weitere ehrenamtliche Helfer mit Führerschein, noch mehr spendenwillige Firmen "...denn es gibt Tage, da haben wir überhaupt nichts zu verteilen" und Geldspenden für Benzin und Telefon.
(Spendenkonto bei der Nord LB: 111 120, Infotelefon 302040) In Braunschweig leben 1000 Wohnungslose, die jeden Tag Hunger haben.
Die Hospizarbeit Braunschweig, e.V. verfügt über 36 geschulte, ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (10 weitere sind zur Zeit in Ausbildung) für die Begleitung sterbender und trauernder Menschen und für deren Familien - zuhause, im Krankenhaus, im Altersheim. Todkranke Menschen sollen in Frieden sterben und bis zuletzt leben können - dafür arbeitet die Hospizbewegung, darum richten die Begleiter ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung der Bedürfnisse und Wünsche sterbender Menschen, darum ist es wichtig, dass sie die Möglichkeiten der modernen Schmerzmedizin kennen, geeignete Ärzte vermitteln und über Vorsorgemaßnahmen beraten können. Der Braunschweiger Hospizverein hofft, in absehbarer Zeit - und in einem eigenen Haus - auch stationäre Begleitung anbieten zu können.
(Infotelefon: 16477)
Der Stadtsportbund Braunschweig ist Dach für 194 Vereine und 24 Fachverbände mit 60.000 Mitgliedern. Etwa 3000 Freiwillige engagieren sich in den Braunschweiger Sportvereinen und -verbänden. Dreiviertel davon sind Frauen, sie als Übungsleiterinnen, Betreuerinnen, Helferinnen oder im Büro arbeiten, Feste und Feiern organisieren und vieles mehr - während die Vorstände zu 90 % von Männern besetzt sind.
Der Braunschweiger Sport mit seinen vielen Vereinigungen, der 75 Sportarten anbietet und sich an alle Altersgruppen - von den Krabbelgruppen bis zu den Senioren richtet - und auch behinderte Menschen einschließt, sieht seine Arbeit als Beitrag zur Gesunderhaltung von Körper und Geist, zur Früh- und Jugendförderung und g e g e n Isolierung und Vereinsamung der Menschen.
(Auskunftstelefon 8 00 77)
Wenn sie heimkommen, sind sie eine Gruppe Kinder und Jugendliche im Ferienlager des Sportvereins
Die Betreuerinnen nehmen ihren persönlichen Urlaub, um mit den 6- bis 14-jährigen Kindern ins Zeltlager zu fahren - 14 Tage ohne freies Wochenende, aber oft mit 19 Stunden Tagen. Unsere Männer fahren ohne Murren die Autos mit den nervigen und lauten Kindern und spenden manchmal auch noch den Kraftstoff, dann bleibt von unseren knappen Mitteln noch das Taschengeld für ein 'Sozialkind' über, und es kann mitfahren. Die Kinder sind aus allen Schichten der Bevölkerung - vom verwöhnten Einzelkind bis zum Sozialfall. Wenn sie heimkommen, sind sie eine Gruppe und verstehen sich prima. Aber die ersten 3 Tage sind nicht einfach.
Eine Tag- und Nacht-Geschichte
Es fuhren 40 Kinder und vier Betreuer ins Zeltlager nach Ahlbeck auf Usedom. Dabei war ein 12-Jähriger. Es war ein "Mann ey - boah ey" -Junge, der die Worte bitte und danke noch nie gehört hatte, Ellenbogen besaß und alle anderen Kinder zu unterwerfen versuchte. Er kannte auch kein richtiges Mittagessen mit Kartoffeln, Gemüse und Fleisch, denn zuhause "pfiff man sich 'ne Pizza 'rein". Aber Dennis ging freiwillig mit den 6-Jährigen zu Bett, denn da wird eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt, gesungen und gebetet. Das kannte er auch noch nicht, fand es aber schön, und das schönste war für ihn der Gute-Nacht-Kuss. Bei der Nachtwanderung zur Halbzeit ging es mit Taschenlampen durch den nahen, dunklen gruseligen Wald, der direkt an der polnischen Grenze liegt. Wir gaben uns Blinkzeichen und gingen in kleinen Gruppen Mut ansingend bis zum Ziel, wo ein Lagerfeuer und ein vergrabener Schatz auf uns warteten. Da war unser Dennis weg! Die ganze Gruppe war in Aufruhr und suchte laut rufend mit steigender Panik, bis uns der Grenzschutz informierte, dass unser Dennis den polnischen Leuchtturm für unser Blinkzeichen gehalten hatte und ohne es zu merken in Polen eingereist war. Wir holten ihn sehr erleichtert von der polnischen Grenzstation ab und waren froh, unseren Dennis wieder zu haben - und Dennis war erst recht froh, dass er uns wieder hatte.
Angelika Hollbach
Das Freiwilligenzentrum der Caritas will Anbieter und Nachfrager von freiwilligen sozialen Diensten zusammenbringen und macht Menschen, die eine sinnvolle Aufgabe in ihrem Interessengebiet (Soziales, Kultur, Umwelt, Sport, Schule) suchen, mit geeigneten wohnungsnahen Projekten der freiwilligen Arbeit bekannt. Es möchte jedermann und jede Frau dazu ermuntern, sich ein kleines oder großes Ehrenamt zuzutrauen und zuzumuten, zum Beispiel technische Fähigkeiten oder Organisationstalent anzubieten, Jugendfreizeiten zu begleiten, behinderte Kinder bei Sport und Spiel zu unterstützen, bei den Schularbeiten zu helfen, sich Zeit für andere zu nehmen.
(Beratungstelefon 75767)
Die folgende Geschichte steht beispielhaft für private Initiativen, die mit guten Einfällen und großem persönlichen Einsatz - oft aufgrund von einschneidenden Erlebnissen - Hilfsaktionen von erstaunlichem Ausmaß ins Leben rufen und in Gang halten.
Das entscheidende Erlebnis
Vor zehn Jahren fuhren mein Mann und ich zum ersten Mal nach Kiew. Neben den Sehenswürdigkeiten interessierte uns vor allem das Alltagsleben und das Kinderkrankenhaus Nr. 14, in dem die krebskranken Kinder aus Tschernobyl liegen. Dieses war, durch die für uns unglaublichen Zustände, ein entscheidendes Erlebnis, so dass ich nach meiner Rückkehr anfing, privat Pakete zu schicken. Nicht nur, dass es sehr kostspielig war - der Transport dauerte viel zu lange. Durch meine Erzählungen im Ort über die erlebten Zustände in Kiew waren viele bereit, Kleidung und Spielzeug zu spenden. Parallel fragte ich in Apotheken und bei Ärzten nach Medikamenten an und hatte eine sehr positive Resonanz.
Da die Frage des Transportes von soviel Gütern noch unklar war, fuhr ich mit einem Bekannten, der als Russlanddeutscher dolmetschte, in die Hauwestraße zu den russischen LKW-Fahrern. Inzwischen sind es fünf LKW-Fahrer geworden, die unsere gespendeten Güter zuverlässig als Beiladung nach Kiew bringen, sie sind auch freundschaftlich mit uns verbunden.
In Kiew haben sich durch Eigeninitiative Menschen gefunden, die an vier Stellen die Spenden nach Hilfsbedürftigkeit verteilen - an Altenheime, Krankenhäuser, Kinderheime. Alle geben uns Nachricht, wenn sie die Sachen erhalten haben.
Ich bin Mitarbeiterin bei einer Kirchengemeinde, die seit fünf Jahren die von ihr zu bestimmenden Kollekten für Kiew spendet. Von diesen Geldern werden in Deutschland en gros die von den Kliniken in Kiew benannten notwendigen Medikamente gekauft und weitergeleitet.
Marianne Ostrowski
Die Grünen Damen im Marienstift kümmern sich seit mehr als 20 Jahren ehrenamtlich um die Patienten im Krankenhaus - mit kleinen Besorgungen, Bücherdiensten, als Lotsen zwischen Verwaltung und Stationen - und um die Bewohner des Altenpflegeheimes, als Begleiter zu Ärzten, Veranstaltungen und Ausflügen. Ihre wichtigste Aufgabe sehen die grünen Damen im 'Zeithaben' für Patienten und alte Menschen, im Zuhören, und über das Anvertraute schweigen können - Seelsorge aus einem bewussten diakonischen Engagement. Ungefähr 75 in krankenhausgrün gekleidete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der evangelischen und ökumenischen Krankenhaus- und Altenheimhilfe sind derzeit im Einsatz, angesichts des steigenden Bedarfs würden sie sich über Verstärkung freuen.
(Infotelefon 1711-1)
Zeit-Spender erhalten keine Bezahlung,
aber die Gewissheit gebraucht zu werden.
Was wäre die Stadt ohne die Freiwillige Feuerwehr. Die Watenbüttler Jugendfeuerwehr nach der Dienstags-Gruppenstunde.
Ihre Erika Schuchardt
Weltsaal des Auswärtigen Amtes in Bonn
Braunschweigs Ehrenamtliche beim Freiwilligen Gipfel 2001
vor der Berliner Reichstagskuppel
Es hat sich viel getan und es lohnt, sich einmal in der heutigen Welt des solidarischen Handelns umzusehen. Zu dem Einsatz im Rahmen von Diakonie und Caritas ist ein bürgerschaftliches Engagement getreten. Aus dem ehemals oft lebenslangen Ehrenamt wurde ein kündbarer freiwilliger Dienst. Die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer ist organisiert und geregelt durch Freiwilligenzentren und -agenturen, durch die Einsatzleitung vor Ort. Auch die Leitbilder und Motive für das mitmenschliche Engagement haben sich gewandelt: Mitleid, Mildtätigkeit, Fürsorge - unsere Zeit orientiert sich am Begriff der Würde, die jedem Menschen, auch dem Schwächsten und Hilfsbedürftigsten zusteht. In ähnlicher Weise verändert sich Bild und Selbstbild der freiwillig Ehrenamtlichen von den 'Hilfswilligen' zu Partnern der professionellen Kräfte.
Heute werden für einige freiwillige Tätigkeiten bestimmte menschliche Voraussetzungen (z.B. seelische Stabilität, Belastbarkeit) erwartet und getestet, aber auch Ausbildungen/ Fortbildungen angeboten, mit denen neben sozialen Kompetenzen spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten erworben werden können. Dazu kommt eine spätere regelmäßige Supervision. In vielen Fällen ist auch die Frage der Versicherung inzwischen geklärt. Im Ausland gibt es vielerlei interessante und neuartige Modelle - zum Beispiel die Verzahnung von Freiwilligenarbeit, Lebensarbeitszeit mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit - die auch für Probleme hierzulande Anregung bieten können.